Vereinigung «Francs de Pied»
Alle grossen historischen Weinregionen hatten ihre feinen Sorten gefunden, als ab 1863 das Reblaus-Desaster ein schreckliches Trauma auslöste. Die Winzer mussten schon gegen den Echten und den Falschen Mehltau kämpfen, die ebenfalls aus Amerika eingeschleppt worden waren, und verausgabten sich bei den chemischen Behandlungen gegen den neuen Parasiten. Als sich die Praxis des Aufpfropfens als wirksam erwies, gab man alle anderen Mittel im Kampf gegen die Reblaus auf. Die einstigen – wurzelechten – Rebberge wurden vollkommen verdrängt! Wie es Marc-André Selosse ausdrückte: «Das Veredeln hat uns daran gehindert, an eine Erneuerung der Rebberge mit wurzelechten Stöcken zu denken.» (Revue des Œnologues, Nr. 179, April 2021)
Doch es gibt Orte, an denen wurzelechte Reben überlebt haben, wie es die vorliegende Ausgabe der Revue Terroir DIVO beweist. Rebberge, in denen veredelte und unveredelte Reben von engagierten Winzern wie Didier Dagueneau nebeneinander gepflanzt wurden, erinnern daran, dass die wurzelechten Stöcke weniger, aber konzentriertere und ausgewogenere Trauben hervorbringen, für Weine mit mehr Saft, einer delikateren Haptik (sprich einer wunderbar geschmeidigen Konsistenz), mit offensichtlicher Viskosität («der Saft» der Alten), einer grösseren Qualität des Speichelflusses… Es ist schon die taktile Dimension des Weins, die ihn unterscheidet, mehr als die Aromen, auch wenn diese mit zunehmendem Alter des Weins ebenfalls an Eleganz gewinnen.

Es war also höchste Zeit, die «Verdrängung zu beenden» und es zu wagen, die freie Vitis vinifera wieder in den Fokus zu rücken. So wurde 2021 die Vereinigung «Francs de Pied» geboren. Geleitet von Loïc Pasquet, dem Bordelaiser Störenfried der Domaine Liber Pater, hat diese internationale Vereinigung ihren Sitz in Monaco, wo sie von Prinz Albert II. von Monaco, dem Botschafter der Bewahrung der Biodiversität, unterstützt wird. Sie will alle Produzenten vereinigen, die über Parzellen mit einheimischen wurzelechten Reben an ihrem Herkunftsort verfügen. Zudem strebt sie an, ein jahrhundertealtes Savoir-faire zu schützen und weiterzugeben, im Respekt vor der Biodiversität, indem alte Rebsorten in einem ausgewogenen Ökosystem angepflanzt werden. Indem man diese Rebsorten rettet, wird der Geschmack in seiner ganzen Vielfalt und seiner Authentizität bewahrt. Das Ziel dieser ambitionierten Initiative ist es, eine massive Rückkehr von Weinen zu propagieren, die aus Trauben von wurzelechten Stöcken gekeltert werden, und den Weinliebhabern die Möglichkeit zu bieten, solche bereits existierenden Weine zu entdecken.
Es ist wichtig, die historischen, wurzelechten Rebstöcke aller Rebsorten zu revitalisieren. Das Veredeln hat ihr Überleben gesichert, aber ihre Entwicklung blockiert, daher die Degenerationsphänomene, die man heute beobachtet. «Um dem unaufhaltsamen Verfall der Pfropfreben nicht hilflos zusehen zu müssen» (Professor Mario Fregoni, Revue des Œnologues Nr. 179), muss man die Forschung aktivieren, um zur direkt im Boden wurzelnden Vitis vinifera zurückzukehren. Vom Opfer, das seinen Pathogenen hilflos ausgeliefert ist, zur Rebe, die ihre Fähigkeit wiedererlangt, mit ihnen in einer Koevolution zu leben.
Wie Anselme Selosse, der emblematische Champagne-Winzer erklärt: «Mit diesem Interesse an einer Rückkehr zu wurzelechten Reben sprechen wir von einem Weinbau des Ortes, einem Weinbau, die nicht das Beste sucht, sondern das Authentische und Einzigartige, die Originalität in ihrem ersten Ausdruck, also das, was sich nur an einem einzigen Ort findet und das nichts anderem auf der Welt gleicht.»
Ein weiteres Ziel der Vereinigung ist die Schaffung eines Labels, mit dem Weine von wurzelechten Stöcken zertifiziert werden sollen, produziert im Respekt vor dem lokalen Savoir-faire und dem lokalen Ökosystem. Dieses Label soll nach den Empfehlungen eines wissenschaftlichen Rats gestaltet werden, zu dem folgende Experten gehören: Alain Deloire, Gabriel Lepousez, Jacky Rigaux, Marc-André Selosse, José Vouillamoz und Olivier Yobrégat.

DNA-Test zur Bestätigung von wurzelechten Reben
Dr José Vouillamoz – Bei jungen Reben erkennt man in der Regel von Auge die Verdickung an der Basis des Stocks, die von der Veredelung stammt. Bei älteren Reben ist diese Verdickung oft schwer zu erkennen, da sie sich mit zunehmendem Wachstum des Stamms abschwächt. In diesem Fall hilft ein DNA-Test. Indem man die Probe eines Blatts mit der vom selben Stock entnommenen Probe einer Wurzel vergleicht, kann man leicht feststellen, ob es sich um eine wurzelechte (DNA von Blatt und Wurzeln sind identisch) oder um eine veredelte Rebe (DNA des Blatts unterscheidet sich von der DNA der Wurzeln) handelt.
Werden Sie Mitglied der Vereinigung
Innerhalb eines Jahres sind nicht weniger als 200 Winzer aus ganz Europa und dem Nahen Osten der Vereinigung beigetreten. Ob Amateur oder Profi: Zögern Sie nicht, ebenfalls Mitglied der Vereinigung zu werden – und damit Teil eines internationalen Netzwerks von Winzern und Weinliebhabern.
Näheres zu den Beitrittsmodalitäten erfahren Sie unter www.francsdepied.org, oder Sie schreiben direkt an info@francsdepied.org.