Valentina Andrei, der Shootingstar aus Saillon

Wenn man Valentina Andrei kennenlernt, dann ist sie ernst, fast ein bisschen scheu. Später wirkt sie gelöst, offen, von charmantem Schalk. «Kommt herein, ich bin gleich bei euch», meint sie und wendet sich einem Kunden zu, der sich nicht entscheiden kann, ob er den einen oder den anderen Wein kaufen soll. Was gibt es da zu überlegen? Beide natürlich!

Wer Valentinas Weine zum ersten Mal degustiert, ist überrascht. Erstaunt. Sprachlos. Und dann bewegt. Im Innersten berührt. Keine Frage, sie sind exzellent, ihre Weine. Tadellos vinifiziert. Aber da ist noch mehr. Etwas Essenzielles, das schwierig in Worte zu fassen, aber umso deutlicher zu spüren ist. Etwas, das sich mittels Degustationsnotizen nur bedingt einfangen lässt. Valentinas Weine berichten nicht nur getreulich vom Terroir, auf dem sie gewachsen sind, sie spiegeln nicht bloss den Jahrgang und die Handschrift der qualitätsversessenen Winzerin, nein, sie besitzen eine Seele. Ein Herz. Das klingt kitschig, trifft aber den Kern.

Wie auch immer: Valentina Andrei steht wenige Jahre nach der Gründung ihrer eigenen Kellerei als strahlend heller Stern am Walliser Weinfirmament. Ihre kleine, feine Produktion ist jeweils innerhalb von wenigen Wochen ausverkauft. Dabei wurde es der jungen Frau nicht in die Wiege gelegt, dass sie dereinst im Wallis als Selbstkelterin für Furore sorgen würde.

Mit Chasselas gross geworden

Geboren wurde Valentina nämlich in Botoșani, im Norden Rumäniens, als fünftes von sechs Kindern einer Bauernfamilie. «Meine Eltern bauten Getreide, Mais und Sonnenblumen an. Und kultivierten Reben…» Keine Petite Arvine und keinen Gamay, aber… Chasselas! Valentina lacht über unsere Verwunderung: «Bitte sehr: Rumänien ist das Land mit der weltweit grössten Chasselas-Fläche!» Nicht weniger als 13’000 der insgesamt 190’000 Hektar Reben in Valentinas Heimatland sind mit Chasselas bestockt. Da wirken die knapp 900 Hektar Fendant im Wallis wie eine Fussnote…

«Um mir etwas Taschengeld zu verdienen, half ich schon als Kind bei der Weinlese mit», erzählt Valentina, «das habe ich geliebt. Im Alter von zwölf war für mich sonnenklar: Ich werde Winzerin!» Und zwar Winzerin in Bordeaux. Doch was hat sie ins Wallis verschlagen? Nach der Matura kam Valentina in die Schweiz, ins winzige jurassische Dörfchen Soubey, um Französisch zu lernen. Denn wer nach Bordeaux will, muss Französisch können. «Bei einem Ausflug sah ich dann zum ersten Mal das Wallis.» Und es war um Valentina geschehen! Sie strahlt, wenn sie sich daran erinnert, wie hingerissen sie war von der Schönheit dieser archaischen Landschaft, den halsbrecherischen Steilhängen, den von Trockensteinmauern gestützten Rebterrassen. Liebe auf den ersten Blick!

So bleibt Valentina in der Schweiz, lernt bei den Biodynamik-Pionieren Jacky und Marion Granges auf der Domaine de Beudon, die wie ein Adlerhorst weit oberhalb von Fully auf einem Felssporn thront, was es heisst, unter extremen Bedingungen Weinbau zu betreiben, absolviert daneben eine dreijährige Ausbildung an der Landwirtschaftsschule von Châteauneuf und schliesslich ein Önologiestudium in Changins. Sechs Jahre lang ist sie als Kellermeisterin für die Weine von Weinikone Marie-Thérèse Chappaz verantwortlich, bevor sie den Schritt in die Selbständigkeit wagt.

Valentina Andrei et José Vouillamoz à Saillon, bourg médiéval parmi les plus beaux villages de Suisse.
Valentina Andrei ist mit jedem Rebstock per Du. Hier zeigt sie José Vouillamoz, wo überall ihre verstreuten Parzellen liegen.

Dass sie so schnell bekannt wurde, hat sie ihrer Meinung nach französischen Spitzenrestaurants zu verdanken, die ihre Weine ohne Zögern auf die Karte setzten. «In der Schweiz ist es umgekehrt: Da muss man sich erst einen Namen schaffen, bevor man es in die Gourmettempel schafft…»

Das Wallis, eine Schatzkammer voller Rebsorten

Bis zur Ankunft der Eisenbahn 1859-1860 war das Wallis reichlich isoliert von den umgebenden Regionen, und die Bevölkerung lebte weitgehend autark, vor allem im Winter, wenn die Alpenpässe nicht begehbar waren. Es galt also, diese isolierten Perioden zu überstehen, weshalb die Bauern Lebensmittel entwickelten, die man lange aufbewahren konnte: Roggenbrot, Käse, Trockenfleisch usw.
In diesem isolierten Wallis entstanden im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche einheimische Rebsorten mittels sukzessiver natürlicher Kreuzung. Von den 21 einheimischen Rebsorten der Schweiz stammen 14 aus dem Wallis: Amigne, Arvine, Cornalin, Diolle, Eyholzer Roter, Goron de Bovernier, Gros Bourgogne, Grosse Arvine, Himbertscha, Humagne, Lafnetscha, Rèze (alias Resi), Rouge de Fully, Rouge du Pays (alias Cornalin). Einige sind von anekdotischer Bedeutung, andere stammen ursprünglich aus dem Aostatal, wo sie praktisch verschwunden sind (Cornalin, Goron de Bovernier, Rouge de Fully, Rouge du Pays), und die dritten sind sogenannte elternlose Rebsorten (Amigne, Arvine, Humagne, Rèze). Diese Vielfalt an einheimischen Rebsorten ist ein einzigartiges kulturelles Erbe, das es unbedingt zu bewahren und zu schützen gilt. Bis heute beträgt die Rebfläche dieser 14 Rebsorten jedoch lediglich 10% der 4804 Hektar des Kantons. Meiner Meinung nach müssten sich die Walliser Produzenten auf die einheimischen und traditionellen Sorten fokussieren und deren Rebflächen steigern, statt um jeden Preis erst kürzlich eingeführte Rebsorten zu testen, die keinerlei Verbindung zur Walliser Weingeschichte haben – und bisweilen nicht einmal eine Affinität zum Klima der Region.

Mit den Rebstöcken per Du

Heute bewirtschaftet Valentina Andrei rund vier Hektar Reben, zum Teil eigene, zum Teil gepachtete, zersplittert in eine Vielzahl kleiner Parzellen, die meisten bestockt mit alten Reben und von ihren Besitzern aufgegeben, da zu steil und zu schwierig zu bearbeiten. «Solche Parzellen sind zwar erschwinglicher als andere, verlangen aber sehr viel Handarbeit», meint Valentina. Genau das Richtige für sie! Denn anspruchsvolle, schweisstreibende Handarbeit liebt sie. Sie scheint mit jedem einzelnen Rebstock per Du zu sein, redet den knorrigen Pflanzen gut zu, hört auf ihre Bedürfnisse. Denn sie weiss: Die Natur beschenkt all jene reichlich, die sie respektvoll behandeln. «Ich bin nicht dogmatisch, arbeite aber weitgehend biodynamisch.» Sie beachtet den Mondkalender, braut Kräutertees und homöopathische Mittel zur Stärkung der Reben. Auf das Analysieren von ph-Wert oder Zuckergehalt verzichtet sie, «was zählt, ist der Geschmack der Beeren.» Es dauere mindestens fünf Jahre, bis man den Effekt des biologischen Arbeitens sehe. «Ein gutes Beispiel ist meine Humagne Blanche aus Grimisuat, die früher riesige Trauben produzierte. Mittlerweile werden die Trauben immer kleiner.» Und der daraus gekelterte Wein ist von atemberaubender Finesse und Frische…

Sie verwendet bei der Vinifikation so wenig Schwefel wie möglich, die Rotweine werden alle in gebrauchten Barriques verfeinert, die Weissen im Tank, im Holz oder in Tonamphoren. «In der Amphore geht alles viel schneller, man muss unheimlich aufmerksam sein und neben der Amphore schlafen, damit man nichts verpasst.» Belohnt wird die Winzerin dafür etwa mit einem Fendant, der schon deutlich offener und zugänglicher wirkt als der im Tank ausgebaute Chasselas Les Bans.

Die Winzerin lässt sich und ihren Weinen Zeit, sie greift so wenig wie möglich ein, vergärt konsequent mit eigenen Hefen, was die individuelle Persönlichkeit der Weine unterstreicht, sie komplexer macht und das Terroir noch deutlicher hervortreten lässt. Ihre Weine, die anfangs immer etwas zurückhaltend sind und nie mit vordergründiger Aromatik um Aufmerksamkeit heischen, bestechen durch eine ganz eigene Eleganz, eine unglaubliche Frische und Tiefgründigkeit. Ihre Lieblingssorten sind, neben dem Chasselas, den sie in vier Versionen vinifiziert, Petite Arvine und Gamay. Als passionierte Wahlwalliserin hat sie aber natürlich auch Païen, Syrah oder Cornalin im Angebot. Der Cornalin heisst bei ihr übrigens, wie früher üblich, Rouge du Pays – «die Leute meinen immer, das sei ein deklassierter Landwein», lacht sie. «Ich will mich nicht verzetteln», sagt Valentina, die immer nur mit dem Besten zufrieden ist und ihre Weine am liebsten nach Parzellen getrennt ausbaut. Deshalb möchte sie sich künftig auf je fünf rote und weisse Sorten beschränken. Auf welche? «Ach, es ist schwierig, sich von einer Sorte zu trennen…» , seufzt Valentina. Nun, gleichgültig, aus welchen Sorten Valentina künftig ihre Weine keltert, Hauptsache sie tragen den unverkennbaren Stempel ihrer Persönlichkeit!

Tipp von Valentina Andrei

Restaurants
La Sitterie
Route du Rawyl 41
1950 Sion
027 203 22 12

Restaurant du Théâtre
Avenue du Théâtre 7
1870 Monthey
024 471 79 70

Die Walliser verdanken den Waadtländern auch den Dôle

Im 19. Jahrhundert wurde der Gamay in den Kantonen Genf und Waadt Dole oder Dôle genannt, als Referenz an die gleichnamige Stadt im französischen Jura, wo er die Hauptsorte war. Allerdings wurde derselbe Name auch für den Pinot Noir verwendet, sodass zur Unterscheidung der Pinot Noir rasch Petite Dôle genannt wurde, der Gamay dagegen Grosse Dôle. Im Wallis wurde der Gamay gegen Mitte des 19. Jahrhunderts unter dem Namen Dôle eingeführt, und zwar aus der Waadt, wo der «Plant de la Dôle» schon recht verbreitet war. Im Jahr 1848 importierte der Walliser Staatsrat auch Pinot Noir aus der Waadt im grossen Stil. Im Lauf des 20. Jahrhunderts wurde dann eine Assemblage aus (mehrheitlich) Pinot Noir und Gamay Dôle genannt; sie mauserte sich schnell zum Aushängeschild des Wallis. Trotzdem bleibt der Kanton Waadt der Ursprung des Namens, davon zeugt der Dôle d’Epesses der Waadtländer Domaine Blondel in Cully (Lavaux), die vom Bundesgericht die Erlaubnis erhielt, diesen Namen weiterhin zu verwenden, wegen älterer Rechte.

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