Rebsorten-Raritäten
Warum sind rare Rebsorten rar? Meistens an eine kleine geografische Region gebunden, liegt ihr Schicksal oft in den Händen weniger Winzer, manchmal gar eines einzigen! Einige dieser oft vernachlässigten Rebsorten könnten bei der Anpassung an die Klimaerwärmung mithelfen, haben sie im Lauf der Jahrhunderte doch schon viele Veränderungen mitgemacht.
Hier eine Selektion von sechs raren Rebsorten, deren Weine bei DIVO erhältlich sind. Sie, liebe Mitglieder, haben es in der Hand, sie zu trinken und damit am Leben zu erhalten!
Seltene Weissweinsorten
Galego Dourado, die Perle aus Lissabon
Diese seltene Weissweinsorte (10 ha) stammt aus Carcavelos und Colares nahe Lissabon (Portugal), wo sie traditionell in Assemblagen für alkoholverstärkte Süssweine verwendet wird. Vom Verschwinden bedroht, wurde die Galego Dourado von José da Mota Capitão gerettet, dem Gründer und Besitzer der Kellerei Herdade do Portocarro, unterstützt von der nationalen Landwirtschaftsstation in Oeiras. Die frühreife, wenig produktive Sorte wurde im Alentejo im Lauf des 20. Jahrhunderts aufgegeben, auf Druck der Militärdiktatur ab 1926 und zugunsten von Getreidefeldern. Der Pionier José da Mota Capitão pflanzte 2002 rund 3 ha an. Er ist bis heute der einzige, der einen reinsortigen Galego Dourado produziert, einen grossen Gastronomiewein.

Hárslevelü, die arme Verwandte des Tokajers
Der Name dieser aus der ungarischen Region Tokaj stammenden Sorte bedeutet «die Lindenblättrige», als Referenz an ihre Lindenblütenaromen. Die DNA-Analyse hat gezeigt, dass sie eine natürliche Tochter des Furmint ist, der Hauptsorte der grossen Tokajer Süssweine. Ausserhalb Ungarns ist sie eine Rarität, so am Neusiedlersee, wo Biodynamikpionier Josef Umathum eine Parzelle mit ihr bestockt hat. Da sie in der Appellation nicht zugelassen ist, produziert er aus ihr einen Tafelwein in winzigen Mengen, der mit seiner reichen, würzigen Aromatik fasziniert.

Monemvassia, die ursprüngliche Malvoisie
Die historische Rebsorte Monemvassia (oder Monemvasia) hat ihren Namen vom gleichnamigen befestigten Städtchen auf einer von einem imposanten Felsen dominierten Halbinsel auf dem Peloponnes (Griechenland). Früher Malvoisie genannt, soll dieser Marktflecken seinen Namen dem berühmten Süsswein gegeben haben, der bereits 1214 erwähnt und wohl vorwiegend aus Monemvasia gekeltert wurde. Der DNA-Test konnte keine Verbindung zwischen Monvemvassia und anderen Malvoisie-Arten nachweisen, was die Sorte zu einer seltenen griechischen Reliquie macht. Giorgos Tsibidis brachte sie von der Insel Paros, wo sie überlebt hatte, in die Rebberge der Monemvasia Winery. Hier ergibt sie einen dezent aromatischen, bekömmlichen und salzigen Wein.

Seltene Rotweinsorten
Tintore di Tramonti, mehrhundertjährige Rebstöcke
Die Tintore di Tramonti, wörtlich «Färber von Tramonti» (der Name eines Dorfes) wächst auf kaum 10 ha an der Amalfiküste südlich von Neapel (Italien), wo mehrhundertjährige, wurzelechte Stöcke überlebt haben, die zu den ältesten der Welt gehören. Man vermutet, dass einige der Stöcke mit bis zu 40 cm Durchmesser 300 bis 400 Jahre alt sind! In der Azienda Monte di Grazia hegen und pflegen Alfonso Arpino und seine Kinder Olivia und Fortunato diese spektakulären Reben und keltern einen einzigartigen Wein aus ihren Trauben, der uns mit dem Weinbau unserer Ahnen verbindet. Man sollte diesen speziellen Wein ein paar Jahre in der Flasche reifen lassen, bevor man ihn trinkt, denn seine Säure ist sehr hoch, seine Tannine imposant.

Cornalin, der Alte Landrote
Traditionell von den Ampelographen als Alter Landroter bezeichnet, wurde diese alte Walliser Rebsorte 1972 in Cornalin unbenannt, wobei man den Namen einer Sorte aus dem Aostatal «auslieh». Wohl getrieben von einer Vorahnung, denn der DNA-Test zeigte, dass es sich um eine natürliche Kreuzung zwischen zwei Sorten aus dem Aostatal handelt: Petit Rouge und Mayolet. Im Aostatal geboren, gelangte der Alte Landrote vermutlich vor langer Zeit über den Grossen Sankt Bernhard ins Wallis, während er in seiner Heimat verschwand. Im Wallis ebenfalls kurz vor dem Aussterben, wurde er in den 1970er-Jahren von ein paar Passionierten gerettet. Heue ist er das rote Aushängeschild des Wallis, wo er exklusiv auf 153 ha angebaut wird. Schwierig zu kultivieren, mit schwankenden Erträgen, ergibt er farbkräftige, fruchtige und saftige Weine mit seidigen Tanninen und einer positiven Bitternote.

Susumaniello
Der Susumaniello stammt aus der Provinz Brindisi im süditalienischen Apulien. Der Name soll auf den Dialektausdruck somarello (= Eselchen) zurückgehen, ein Hinweis darauf, wie viel vor allem junge Reben tragen können. Der DNA-Test hat gezeigt, dass es sich um eine spontane Kreuzung zwischen der weissen Garganega aus dem Veneto und der apulischen Tafeltraube Uva Sogra handelt. Den Susumaniello findet man nur in der Provinz Brindisi, wo er in Assemblagen verwendet wird. Von der Familie Rubino, die ihn als einzige reinsortig keltert, vor dem Aussterben gerettet, wächst er heute auf 72 ha.
