Les Frères Dutruy – ein schlagkräftiges Duo
Hinter dem Namen Frères Dutruy in Founex, im westlichsten Zipfel der Waadtländer Côte, verbergen sich die beiden sympathischen Brüder Christian und Julien Dutruy. Christian, der ältere und bei unserem Besuch leider im Ausland, hat die Meisterprüfung als Winzer und Kellermeister abgelegt und mehrere Jahre in Kalifornien und Südafrika Erfahrungen gesammelt. Er kümmert sich um die Rebschule der Familie (ein wichtiges Standbein des Betriebs und eine der bedeutendsten Rebschulen der Schweiz), um die Rebberge und die Logistik – und er amtet als Präsident der Schweizer Rebschulisten. Sein Bruder Julien, fünf Jahre jünger, liess sich an der Universität Bordeaux zum Önologen ausbilden und absolvierte diverse Stages auf renommierten Gütern im Burgund, im Bordelais, im Elsass und in Neuseeland. «Christian und ich, wir ergänzen uns perfekt», findet Julien, «und unser Betrieb bietet genügend Arbeit für zwei…» Das kann man wohl sagen. Als sie 2006 den 1917 vom Urgrossvater gegründeten Betrieb von Vater Jean-Jacques übernahmen, umfasste er zwölf Hektar Reben. Heute sind es 25. Zum Weingut gehören zwei Domänen: La Treille in Founex, das Herzstück, mit wenig tiefgründigen Böden, sandigen und kalkreichen Lehmparzellen auf Molasseuntergrund, und La Doye in Coppet, mit kiesigen Schwemmlandböden. «Wir wollen aber nicht weiterwachsen, sondern uns qualitativ steigern», betont Julien.

Unter uns: Sehr viel Luft nach oben dürften die Brüder dabei nicht haben. Bei Insidern waren sie natürlich schon längst bekannt dank ihrem originellen und hochkarätigen Sortiment, doch im Oktober 2017 wurden sie über Nacht in den Fokus der Öffentlichkeit katapultiert und gefeiert wie eine siegreiche Fussballmannschaft: als Schweizer Kellerei des Jahres 2017! Wenn das kein Leistungsausweis ist… Das Fundament für den Erfolg hat übrigens schon Vater Jean-Jacques gelegt. Er beschritt nicht nur unerschütterlich den Weg zur kompromisslosen Qualität, er liess auch seinen Söhnen die nötige Freiheit, um sich zu entfalten.
Plant Robert und Gamay d’Arcenant
Der Kanton Waadt beherbergt zwei alte Formen des Gamay: den Plant Robert, den Stolz der Region Lavaux, und den Gamay d’Arcenant, typisch für den Nord-Vaudois.
Ein kleiner Diebstahl könnte am Ursprung des Plant Robert stehen, der auch Plant Robaz oder Plant Robez genannt wird, stammt doch sein Name wahrscheinlich vom altfranzösischen «rober» (stehlen) ab, im modernen Französisch «dérober». Diese Etymologie macht Sinn, wenn man weiss, dass der Genfer Agronom Lullin 1832 berichtete, es seien 35 Jahre zuvor zwei grosse Pakete mit jungen Rebpflanzen auf der Hauptstrasse von Nyon nach Rolle «gefunden» worden, nachdem sie einem Händler vom Karren gefallen waren. Diese Stöcke stammten aus Dôle in der Region Bourgogne-Franche-Comté, der Wiege des Gamay. Alles spricht dafür, dass es sich bei diesen Stöcken um das handelte, was man ab Ende des 19. Jahrhunderts in den Lavaux-Rebbergen Plant Robert nannte. Im Lauf des 20. Jahrhunderts wäre diese Gamayform um ein Haar verschwunden, sodass in den 1960er-Jahren nur noch eine einzige Parzelle existierte, und zwar beim Winzer Pierre Paley in Epesses. 1965, als dem Winzer genau diese Parzelle wegen des Baus der Autobahn Lausanne-Vevey mittels Enteignung weggenommen werden sollte, rettete der Rebschulist Robert Monnier in letzter Minute einige Stöcke, die er in Cully vermehrte. Diese Rettungsaktion führte schliesslich zur Kreation eines Labels im Jahr 2002, angeregt von dynamischen Produzenten wie Henri Chollet und Blaise Duboux. 2005 konnte ich mittels DNA-Test bestätigen, dass es sich beim Plant Robert tatsächlich um einen Gamay handelt.
Der Gamay d’Arcenant verweist auf eine Weinbaugemeinde der Hautes-Côtes de Nuits im Burgund. Der Legende nach soll diese Form des Gamay nach dem verheerenden Frost von 1956 in die Schweiz eingeführt worden sein, als die Rebberge wieder neu bestockt wurden. Ab den 1990er-Jahren zog dieser qualitativ sehr hochstehende Gamay die Aufmerksamkeit mehrerer Produzenten aus dem Nord-Vaudois auf sich; sie vermehrten ihn und machten ihn so zu einer lokalen Spezialität.
Modernste Technik und altes Wissen vereint
Julien Dutruy zeigt uns mit sichtlichem Stolz sein Reich: Der ultramoderne Kellerneubau ausserhalb des Dorfes, selbst konzipiert und aus regionalen Materialien von regionalen Firmen gebaut, konnte 2015 eingeweiht werden. Es ist ein Keller mit allen technischen Schikanen, energiesparend, schlicht, funktionell und trotzdem schön, mit 55 temperaturkontrollierten Inoxstahltanks und 120 Barriques im stilvollen Barriquekeller. «Bei uns wird weder die Ernte noch der Wein jemals umgepumpt, alles funktioniert dank einem ausgeklügelten System mittels Schwerkraft.» Ein Labor und ein Degustationsraum im Glaskubus vervollständigen das Gesamtkunstwerk.

«Seit acht Jahren arbeiten wir biologisch, seit drei Jahren haben wir Anrecht auf das Label von Bioinspecta», erzählt Julien. «Mittels biodynamischem Flüssigkompost stimulieren wir die Mikroorganismen im Boden, wir verwenden Aloe vera, Algen, Kieselerde sowie Kuhhornmist und richten uns, soweit es geht, nach dem Mondkalender, allerdings ohne aus dem Ganzen eine Religion zu machen.» Dadurch habe sich der Stil der Weine verändert, auch dank dem Verzicht aufs Schönen, «die Weine besitzen jetzt mehr Salzigkeit, mehr Persönlichkeit.» Viele Rebparzellen liegen mitten in Wohngebieten, der Urbanisierungsdruck ist gross. «Da ist es ein Vorteil, biologisch zu arbeiten – so können wir aufgebrachte Anwohner beruhigen, wenn wir am Spritzen sind…» Julien hat während seiner Ausbildung wenig von biologischem oder biodynamischem Weinbau gehört. Doch die fünf Hektar Les Romaines, auf der die prestigereichen Spitzenweine des Hauses gedeihen – unter anderem auch der zum Eliteclub Mémoire des Vins Suisses gehörende phantastische Gamay Grande Réserve – werden strikt biodynamisch kultiviert, die Weine spontan mit den eigenen Hefen vergoren. «Wir kultivieren zehn verschiedene Gamayklone, neue und alte; das verstärkt natürlich die Komplexität und die Tiefgründigkeit der Weine.» Das ist eines der Asse im Ärmel der Dutruys: Sie produzieren ihre Unterlagsreben und ihre Edelreiser selber, können die allerbesten Selektionen und Klone auswählen und sie dann dicht an dicht auspflanzen, «meistens 10’000 Stöcke pro Hektar, das begrenzt den Ertrag auf natürliche Weise.»
Die Dutruys arbeiten auch eng mit der Forschung zusammen, Changins ist nicht weit entfernt. In einigen Parzellen der Dutruys oder auch im Keller werden regelmässig Versuche gemacht, Studenten der Fachhochschule werden als Stagiaires oder Erntehelfer beschäftigt. Julien lässt die Weine in Changins und im Burgund analysieren oder macht das im eigenen Labor selber. «Doch je länger desto mehr setze ich auf Intuition statt auf Analysen. Ich habe noch so viel zu lernen…» Und das scheint ihn richtig zu freuen!
Tipp von Julien Dutruy
Restaurants
Restaurant de la Gare
Avenue de la Gare 13, 1522 Lucens
021 906 12 50
Les Trois Rois
Rue du Simplon 7, 1006 Lausanne
021 616 38 22
Carte blanche für Julien Dutruy
Der biologische Säureabbau
Der BSA, auch malolaktische Gärung genannt, ist eigentlich gar keine Gärung, denn aus mikrobiologischer Sicht werden hier nicht die Hefen aktiv, sondern die Milchsäurebakterien, welche die Äpfelsäure auf natürliche Weise in Milchsäure verwandeln. Die beim BSA erwünschten Milchsäurebakterien heissen Oenococcus oeni. Der BSA verursacht grosse geschmackliche (sprich organoleptische) Änderungen im Wein. Er verändert das Säuregleichgewicht, indem er die Säureempfindung vermindert, denn Milchsäure ist weniger aggressiv als Äpfelsäure. Der wohltuende Effekt des BSA wurde erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts und dank verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten verstanden. Davor sagte Louis Pasteur: «Die Hefen erschaffen den Wein, die Bakterien zerstören ihn.»
Historisch gesehen, wird der Schweizer Chasselas besonders in seiner Herkunftsregion am Lac Léman mit dem biologischen Säureabbau vinifiziert. Der BSA findet nach der alkoholischen Gärung der Weine statt. Wird der BSA gut gesteuert, dann mildert er die Säure ab und verbessert die aromatische Komplexität des Chasselas. Mit der Klimaerwärmung, die das Gleichgewicht der organischen Säuren der Trauben beeinflusst, gewinnt die Praktik, den BSA nur teilweise durchzuführen, an Interesse. So kann der Kellermeister seinem Wein mehr Säure bewahren, die für ein gutes Gleichgewicht notwendig ist.
Generell kann man sagen, dass mit der notorischen Ausnahme des Walliser Fendants die grosse Mehrheit der Schweizer Chasselas mit dem kompletten BSA vinifiziert werden, denn das Ziel ist stets ein Wein, der sich zum Aperitif ebenso gut eignet wie als Begleiter zur lokalen Gastronomie. Wenn sich jedoch brütend heisse Jahrgänge wie 2018 häufen, dann könnten sich die Gewohnheiten ändern, hin zu partiellem BSA oder sogar zu einem totalen Verzicht auf den BSA. Wir werden sehen, was uns die Zukunft bringt. • Julien Dutruy, Önologe, Les Frères Dutruy