Josef Umathum, Lebensmittel für die Seele
Josef Umathum braucht man kaum mehr vorzustellen. Er ist ein Urgestein, einer der Grossen unter den Österreicher Winzern. Das Burgenland hat ihm viel zu verdanken. Doch keine Angst: Er ist so bescheiden geblieben wie eh und je, ein stiller Schaffer, in sich selbst ruhend und durch nichts und niemandem von seinem Weg oder seinen Überzeugungen abzubringen. Jemand, der sich und seinen (Reb-) Wurzeln treu bleibt. Ursprünglich hätte sein älterer Bruder Hans das Gut im burgenländischen Wallfahrtsort Frauenkirchen weiterführen sollen. Doch das Schicksal hatte anderes vor…
1985 übernahm also der damals 25-jährige Josef Umathum nach Studienaufenthalten in Burgund, Bordeaux und im Elsass die Leitung des einstigen Mischbetriebs. Seine Familie stammt ursprünglich aus Franken, «meine Vorfahren kamen um 1760 unter Kaiserin Maria-Theresia ins Burgenland und siedelten sich am Osterufer des Neusiedlersees an», erzählt unser Gastgeber.
Josefs Eltern Elisabeth und Johann Umathum hatten das 1958 von den Grosseltern mit vier Hektar Land gegründete Gut beträchtlich vergrössern können, waren doch in den 1960er- und 70er-Jahren viele sogenannte «Kleinhäusler» gezwungen, Parzellen zu verkaufen. Der Grund dafür: Aufgrund der Erbteilung waren die Güter immer kleiner und unprofitabler geworden, im Weinbau herrschte Krisenstimmung und zudem fehlten wegen dem eisernen Vorhang die Absatzmärkte. «Der Fall des eisernen Vorhangs 1989 hatte für uns enorme Auswirkungen», erinnert sich Josef. «Damals bekamen wir unsere Städte zurück – und die Städte ihr Hinterland. Heute machen wir auch Geschäfte mit Ungarn und der Slowakei.»
Kostbare Rieden
Das gepflegte Vorzeigeweingut umfasst heute 50 Hektar Reben, 45 davon werden selbst bewirtschaftet, die restlichen fünf von Vertragswinzern kultiviert. Vor einer grossen Karte stehend, zeigt uns Josef, wo überall seine Reben wachsen: vor allem im Osten des Neusiedlersees, etwa in der berühmten Riede Haideboden. Auf den leichten, sandigen und kiesigen Böden fühlen sich vor allem rote Sorten wohl, allen voran der Zweigelt. Die in alle Welt exportierte rote Umathum-Cuvée Haideboden hat hier ihren Ursprung. Gekeltert wird sie je nach Jahrgang aus rund 65% Zweigelt – «das ist unsere Brotsorte» – dem knapp 20% Blaufränkisch Frische und 15% Cabernet Sauvignon Würze verleihen.
Ebenfalls in Frauenkirchen liegt die Parzelle Vom Stein, eine sehr warme, trockene Lage mit grossen, quarzhaltigen Kieselsteinen, auf der die Spezialität Sankt Laurent zur Höchstform aufläuft. Das wird später bei der Degustation eindrücklich der Sankt Laurent Vom Stein des Jahrgangs 2002 beweisen: Mit seiner wunderschönen, komplexen Nase, in der Noten von getrockneten Früchten, Unterholz und etwas Trüffel mitschwingen, und seinem eleganten, finessenreichen Körper erinnert er an ein grosses, gereiftes Spitzengewächs aus dem Burgund.
Auch am Nordwestufer des Neusiedlersees besitzt Umathum Reben. «Historisch sind wir zwar am Ostufer verwurzelt, aber wir hatten das Glück, auch am Westufer hervorragende Parzellen erwerben zu können.» Hier gedeihen sehr mineralische Weine, allen voran Pinot Noir und Blaufränkisch. Diese Vielfalt verschiedener Parzellen «ist wie eine grosse Spielwiese, wir können auswählen, wo wir was pflanzen wollen.» Dabei verlässt sich Umathum nicht nur auf Intuition und Erfahrung, sondern auch auf Bodenanalysen und massale Selektion eigener Sankt-Laurent-, Zweigelt- und Blaufränkisch-Rebstöcke aus uralten Weingärten. «So bewahren wir die genetische Vielfalt und fördern anpassungsfähige Reben.» Derzeit pröbelt er auch mit krankheitsresistenten Neuzüchtungen.

Sankt Laurent
Lange Zeit hat man dieser Rebsorte eine französische Herkunft unterstellt, gibt es doch im Hexagon zahlreiche Dörfer namens Saint-Laurent, doch die DNA-Analyse hat erst kürzlich offenbart, dass der Sankt Laurent ein natürliches Kind des Pinot Noirs ist und vermutlich in Österreich geboren wurde, wo er mindestens seit dem 19. Jahrhundert kultiviert wird. Laut gewissen Forschern könnte der andere Elternteil der Savagnin sein oder eines der zahlreichen Kinder des Paares Pinot und weisser Gwäss, doch ich konnte diese Hypothesen mittels DNA-Test ausschliessen. Seinen Namen verdankt der Sankt Laurent dem 10. August, der dem Heiligen Laurentius gewidmet ist: An diesem Tag ist die Sorte in der Regel reif. Die Rebsorte mit mittlerer Reife zeigt sich recht resistent gegen winterlichen Frost, verrieselt aber gerne. In der Schweiz findet man den Sankt Laurent nur selten, in Deutschland und Österreich sind seine Anbauflächen in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Er ergibt aromatische, farbkräftige Weine mit seidigen Tanninen und Weichselaromen.
— Dr José Vouillamoz
Königlicher Weisswein
Einen Namen gemacht hat sich Umathum zwar mit seinen authentischen, eleganten Rotweinen, die drei Viertel der Produktion ausmachen. Immerhin 14% sind trockenen Weissweinen vorbehalten. Da findet man Welschriesling, Sauvignon blanc, Chardonnay, Pinot gris. Und eine geheimnisvoll als «historische Sorte» umschriebene Varietät, die den sogenannten «Königlichen Wein» ergibt. «Das österreichische Weingesetz verbietet es uns, auf dem Etikett die Rebsorte und den Jahrgang zu nennen», bedauert Josef, «doch wenn wir dürften, wie wir wollten, dann stünde auf dem Etikett Lindenblättriger 2015.» Die alte, in Ungarn unter dem Namen Hàrszlevelü für die Produktion von Tokajer verwendete anspruchsvolle Weissweinsorte «war bei uns noch im 19. Jahrhundert weit verbreitet, geriet dann aber in Vergessenheit.» Seinen Namen verdankt der Lindenblättrige einerseits der Form seiner Blätter, aber auch seinem Duft, der an Lindenblüten erinnert. Dank einer Ausnahmebewilligung darf Josef Umathum ihn als einziger Winzer Österreichs an- und ausbauen, allerdings nur «inkognito»… Auf den Schieferböden am Nordwestufer des Neusiedlersees gewachsen, gefällt uns dieser originelle Wein ausserordentlich gut: in der Nase florale, würzige und gelbfruchtige Noten, im Gaumen pikant, rassig, getragen von einer saftigen Säure und mit Nuancen von Quitten und einem Hauch Petrol. Ein königliches Vergnügen!
Biodynamik und modernste Technologie
In den Rebbergen arbeitet Josef Umathum seit 2005 strikt biodynamisch. Nicht als Marketinggag, sondern aus tiefster Überzeugung. «Das ist eine Frage der Lebenseinstellung», meint er schlicht. So verzichtet er auch darauf, seine Weine als biologisch zu kennzeichnen. Es geht ihm um lebendigen Boden, um Artenvielfalt und Schonung der Nützlinge. Und letztlich immer um den Wein. Den Wein, den er als eigenständiges, lebendiges Wesen betrachtet, als «flüssige Erzählung»: «Pflanzen haben ein Gedächtnis, sie merken sich alles, können sich aber auch anpassen und ihre Gewohnheiten verändern, also etwa auf den Klimawandel reagieren.» Biodynamik sei nichts anderes als Homöopathie der Landwirtschaft. Und Wein viel mehr als ein simples Getränk: nämlich ein Lebensmittel für die Seele!
Umathum ein Esoteriker? Weit gefehlt! Das zeigt schon sein unverhohlener Stolz auf die modernen, blitzsauberen Kelleranlagen und nicht zuletzt auf den Rolls-Royce unter den optischen Sortiermaschinen, ein Wunderding, das die – natürlich von Hand gelesenen – Trauben nach Farbe, Reife und Qualitätsstufen zu unterscheiden vermag. «Das ist alles andere als rentabel», meint er trocken und ein Grinsen macht sich auf seinem Gesicht breit, «aber qualitativ einfach sensationell!»
Eindrücklich auch der Keller mit unzähligen Holzfudern für die Classic-Weine, gearbeitet aus österreichischer Eiche aus dem Wiener Wald, vom Winzer höchstpersönlich ausgewählt und bei abnehmendem Mond geschlagen. Und natürlich der bildschöne Barriquekeller, der an ein Kirchenschiff erinnert. Viele der 400 Barriques sind aus französischem Holz, einige aus heimischer Eiche. Gebraucht werden sie rund zehn Jahre lang. «Das Zusammenbringen der beiden Extreme – biodynamischer Weinbau und modernste Technologie im Keller – ist für mich das Ideale», findet Umathum, und beeilt sich anzufügen, «ohne dabei extrem zu sein, natürlich…»

Josef Umathums Tipps
Restaurants
Landgasthaus Altes Brauhaus
Kirchenplatz 25
7132 Frauenkirchen
www.altesbrauhaus.at
Gasthaus zur Dankbarkeit
Hauptstrasse 39
7141 Podersdorf
www.dankbarkeit.at
Hotel
Residenz Velich
Illmitzerstrasse 13
7143 Apetlon
www.velich.at
Das Burgenland – Land der heiligen Dreifaltigkeit
Das Burgenland, ganz im Osten Österreichs, an der Grenze zu Ungarn gelegen (und bis 1921 Teil Ungarns), gehört zu den bekanntesten Weinbaugebieten des Landes und ist berühmt für gehaltvolle, körperreiche Rotweine, aber auch für komplexe Weissweine vom Leithagebirge sowie für grossartige Süssweine nach dem Vorbild des Ruster Ausbruchs – eine heilige Dreifaltigkeit des Geschmacks! Das Klima ist hier von der pannonischen Tiefebene beeinflusst und damit kontinental. Also heiss, trocken, mit kalten Wintern. Im Burgenland werden rund 13 100 Hektar Reben kultiviert, unterteilt in die Unterregionen Neusiedlersee, Mittelburgenland, Leithagebirge und Eisenberg.
Der Neusiedlersee ist der grösste Steppensee Europas. Er besitzt keinen Abfluss, ist lediglich zwei Meter tief und bietet in seinen breiten Schilfgürteln zahllosen Zugvögeln Schutz. Die gleichnamige Weinregion zählt 6 675 Hektar Reben. Die rote Leitsorte ist der Zweigelt (seit 2012 hat er, klassisch ausgebaut oder mit Zusatzbezeichnung Reserve als vom Zweigelt dominierte Cuvée Anrecht auf die Neusiedlersee DAC), die weisse der Welschriesling. Im Nordwesten des Sees dominieren kristalliner Schiefer und Kalk. Das Hauptgebiet am Ostufer des Sees bietet ein vielfältiges Mosaik verschiedener Böden von Löss und Schwarzerde bis zu Schotter und Sand. Da können sich die Winzer der Region nach Herzenslust austoben, entsprechend gedeiht hier eine wahre Fülle weisser und roter Rebsorten. Der melancholische Seewinkel im Südosten des Sees bietet mit hoher Luftfeuchtigkeit und herbstlichen Nebeln ideale Voraussetzungen für die Edelfäule (Botrytis cinerea) und damit für die weltberühmten Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen.