Apulien

Wenn man den italienischen Stiefel betrachtet, dann entspricht Apulien grosso modo der Landzunge entlang der Adria, vom Absatz bis zum Sporn. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts produzierte diese Weinregion hauptsächlich sogenannte «Doktorweine», die dazu dienten, die im Norden gewachsenen Weine zu verbessern, allen voran diejenigen aus dem Piemont, inklusive den berühmten Barolo. Ganze Wagons voller Most oder Jungwein starteten in Richtung Norden. Gewachsen waren sie in Apulien, einer ausnehmend fruchtbaren Region, und zwar dank optimaler Besonnung, angepassten Niederschlägen, eisenoxidhaltigen Böden und mediterranem Klima.

Der Name Apulien stammt übrigens eher vom griechischen Ἰαπυγία (Japigia), der Bezeichnung für die Völker jenseits der Adria, also der Herkunft der vorrömischen regionalen Bevölkerung, und nicht vom hybriden griechisch-lateinischen a-pluviă (Wassermangel), wie oft vermutet.

Bis zum Zweiten Weltkrieg blieb der apulische Weinbau sehr traditionell, die Reben wurden im Alberello-System erzogen, als kleine Büsche, was die Rebarbeiter zu einer gebückten Haltung zwang. Gegen Mitte des 20. Jahrhunderts erlebte die Weinproduktion einen drastischen Wandel: Es wurden Winzerkooperativen (cantine sociale) gegründet, parallel zu einer bedeutenden Mechanisierung und der Produktion von grossen Weinmengen.

Heute umfasst die gesamte Rebfläche gemäss den letzten Erhebungen von 2015 rund 114’000 ha, von denen 30’000 ha für Tafeltrauben verwendet werden. Von den restlichen 84’000 ha sind lediglich 29% für Qualitätsweinbau reserviert (rund 24’000 ha). 90% dieser 24’000 ha werden von Kooperativen bewirtschaftet. Noch heute produziert Apulien eine grosse Menge Tafeltrauben sowie Trauben, die offen verkauft und zu Tafelwein minderer Qualität verarbeitet werden, oft aus den Sorten Sangiovese, Trebbiano Toscano, Merlot, Chardonnay usw. Der Preiszerfall bei den Offenweinen, eine Folge der jahrzehntelang exzessiv hohen Erträge, löste zu Beginn der 1990er-Jahre eine Qualitätsrevolution aus. Plötzlich entstanden kleine Güter, die sich der Qualität verschrieben; das erlaubt es uns heute, in dieser Gegend wahre Weinperlen zu entdecken, gekeltert aus alten lokalen Rebsorten wie Primitivo, Nero di Troia, Negroamaro oder Susumaniello.

Die Herkunftsbezeichnungen: DOC, DOCG und DOP

Apulien besitzt bis heute 28 DOC (Deno-
minazione di Origine Controllata) und vier DOCG (Denominazione di Origine Controllata e Garantita), von denen jede ein eigenes, komplexes Reglement aufweist. Diese Appellationen geben bisweilen Anlass für Verwirrung, wie etwa die Castel del Monte Nero di Troia Riserva DOCG, die sich von der Castel del Monte Rosso Riserva DOCG lediglich im Mindestanteil von Nero di Troia (90% gegenüber 65%) unterscheidet.

Die Appellationen erlauben nicht nur einheimische Sorten wie die raren Impigno, Ottavianello oder Susumaniello, sondern auch solche aus anderen Regionen (Sangiovese) oder internationale Varietäten (Chardonnay, Merlot, Pinot Blanc). Künftig wird sich Apulien wie der Rest Italiens und Europas den Direktiven der Europäischen Union anpassen und seine DOC und DOCG durch DOP (Denominazione di Origine Protetta) ersetzen müssen, während der Rest einfach als IGP (Indicazione Geografica Protetta) eingestuft wird. Dieser theoretisch 2006 eingeleitete Prozess, der seit 2011 in Kraft ist, sollte 2020 abgeschlossen sein. Wir möchten allerdings wetten, dass das alles sehr viel mehr Zeit beanspruchen wird als eigentlich vorgesehen!

Appellations DOC et DOCG des Pouilles avec les provinces concernées et les cépages principaux.
Die DOC und DOCG Apuliens mit den betroffenen Provinzen und den Hauptsorten.

Die wichtigsten Rebsorten Apuliens

Entgegen allen Erwartungen ist die am meisten angebaute Rebsorte Apuliens nicht etwa der Primitivo (14%) und auch nicht der Negroamaro (14%), sondern der Sangiovese (15%, also 12’500  ha). Da der Sangiovese aber so gut wie nie in DOC- oder DOCG-Weinen auftaucht, wird er in diesem Kapitel nicht behandelt.

Aglianico

Man liest oft, der Aglianico sei durch die Griechen in Süditalien eingeführt worden, zur Zeit Grossgriechenlands. Doch das ist falsch! Zahlreiche Autoren suggerierten eine griechische Etymologie, indem sie den Namen Aglianico von hellanico ableiteten, basierend auf Hellas, dem altgriechischen Namen Griechenlands. Linguisten konnten nachweisen, dass das Wort Aglianico nicht von hellanico abstammt. Zudem: Wäre Griechenland sein Ursprung, dann hätte man ihm sicher einen Namen gegeben, dank dem man ihn von allen anderen griechischen Rebsorten hätte unterscheiden können. Die erste schriftliche Erwähnung des Namens Aglianico tauchte 1520 in der Region von Bari auf, in einer Epoche also, als Süditalien unter spanischer Herrschaft stand. Die wahrscheinlichste etymologische Erklärung leitet Aglianico vom spanischen Wort llano ab, was «Ebene» bedeutet. In der Tat wurde der Aglianico stets in ausgedehnten Ebenen kultiviert, und das spanische «lla» wird ähnlich ausgesprochen wie das italienische «glia». Genetische Analysen konnten keinerlei Verbindung zwischen dem Aglianico und den griechischen Rebsorten finden, lieferten aber Hinweise darauf, dass der Aglianico ein Cousin der Rebsorten Kampaniens und der Basilikata sein könnte.

Der Aglianico ist eine sehr spätreifende Sorte und wird oft erst Ende Oktober oder Anfang November gelesen. Er ist sehr wuchskräftig und seine Erträge müssen streng gezügelt werden. Oft wird er auch «Barolo des Südens» genannt, wegen seinem ausgeprägten Tanningerüst, welches an den piemontesischen Nebbiolo erinnert. Im Süden allerdings antwortet man gerne, der Nebbiolo sei eher der «Aglianico des Nordens».

Der Aglianico umfasst in Italien eine Fläche von rund 10’000 Hektar, hauptsächlich in Kampanien, der Basilikata, in Apulien und Molise. Eher anekdotisch ist sein Vorkommen in den USA (Kalifornien, Arizona) und Australien.

Primitivo

Erstmals wurde der Primitivo 1799 im apulischen Gioia del Colle erwähnt. Sein Name ist ein Hinweis darauf, dass die Rebsorte sehr frühreif ist und stets als erste Varietät gelesen wird. Während eines Besuchs in Apulien im Jahr 1967 war Professor Austin Goheen von der Universität Kalifornien in Davis (USA) verblüfft von der Ähnlichkeit des Primitivo mit dem kalifornischen Zinfandel und brachte einige Primitivostöcke zu Studienzwecken mit nach Hause.

Primitivo.

Nach morphologischen Vergleichsstudien und einer Analyse der Isoenzyme (den DNA-Test gab es damals noch nicht) konnte er so in den 1970er-Jahren zeigen, dass es sich bei Primitivo und Zinfandel um dieselbe Sorte handelt. 1994 bestätigte Professorin Carole Meredith, ebenfalls an der Universität von Kalifornien in Davis, diese Identität dank DNA-Test. Allerdings wussten Kalifornier wie Italiener ganz genau, dass diese Rebsorte nicht einheimisch ist und dass sich ihr Ursprung vermutlich an der dalmatinischen Küste befindet. Aus diesem Grund machte sich Carole Meredith 1998 zusammen mit ihren kroatischen Kollegen von der Universität Zagreb, den Professoren Ivan Pejić und Edi Maletić, auf die Suche nach dem «ursprünglichen Zinfandel». Das Projekt wurde «Zinquest» getauft (die Suche nach dem Zin). Nach Jahren der Forschung und Hunderten von DNA-Analysen wurde der Gral 2001 entdeckt: eine Probe des Kaštel Novi in der Nähe von Split, lokal Crljenak Kaštelanski genannt (Roter von Kaštela), stimmte perfekt mit dem DNA-Profil des Zinfandels und damit des Primitivos überein.

Dies nur am Rande: Ich untersuchte damals die Schweizer Rebsorten an der Universität von Kalifornien in Davis – und ich war es, der die Ehre hatte, diese DNA-Analyse vorzunehmen… Weitere Recherchen in den dalmatinischen Archiven und in alten Herbarien brachten den ursprünglichen Namen der Rebsorte ans Tageslicht: Tribidrag. Dieser Name wurde als offizielle Bezeichnung in unserem Referenzwerk Wine Grapes (Allen Lane 2012) verwendet, denn es ist der älteste gültige Name. Die Rebsorte, die in Dalmatien heute praktisch nicht mehr kultiviert wird, überlebt dagegen unter dem Namen Kratošija in Montenegro, wie die DNA-Analyse ergeben hat. Der Tribidrag / Kratošija /Zinfandel / Primitivo besitzt eine grosse Bedeutung für das kulturelle Erbe: Durch natürliche Kreuzung mit dem Dobričic, einer alten Rebsorte aus dem Süden Dalmatiens, hat er den Plavac Mali hervorgebracht, die am meisten verbreitete rote Sorte Kroatiens.

In Italien bedeckt der Primitivo eine Fläche von rund 12’000 Hektar, vor allem in Apulien. Man unterscheidet heute drei verschiedene Primitivo-Stile: Der Primitivo di Manduria, bei dem Restzucker erlaubt ist, wirkt oft wie eine Karikatur, so mächtig kommt er daher, dominiert von Konfitürearomen. Der Primitivo del Salento ist reichhaltig und fruchtig. Der Primitivo di Gioia del Colle dagegen ist in der Regel der frischeste und eleganteste von allen.

Arbre généalogique du Tribidrag.
Genealogischer Stammbaum des Tribidrag alias Primitivo oder Zinfandel. Er ist der Vater zahlreicher kroatischer und montenegrinischer Rebsorten wie etwa des Plavac Mali, der am häufigsten kultivierten Varietät in Kroatien, oder des Vranac, der am meisten angebauten Sorte in Montenegro (aus: Wine Grapes, Allen Lane 2012).

 

Nero di Troia

Früher Uva di Troia (Traube von Troia) genannt, hat der Nero di Troia nichts mit der legendären, untergegangenen griechischen Stadt Troja zu tun, dafür umso mehr mit dem Dorf Troia in der apulischen Provinz Foggia. Das Dorf Troia wurde übrigens von Diomedes gegründet, dem Zerstörer der Stadt… Troja! Diesem Diomedes schreibt man fälschlicherweise die Einführung der genannten Rebsorte in Apulien zu, wo sie seit 1791 nachgewiesen ist. Eine 2016 erschienene genetische Studie hat aufgezeigt, dass die drei lokalen Rebsorten Nero di Troia, Bombino Nero und Impigno alles natürliche Kinder des Bombino Bianco und des Quagliano sind.

Der Bombino Bianco, was «kleine Bombe» bedeutet und auf die Form seiner Trauben hinweist, ist eine Rebsorte, die aus Apulien stammt und heute in verschiedenen Regionen Italiens unter zahlreichen Synonymen kultiviert wird, so etwa unter dem Namen Ottonese in der Region Lazio nahe Rom oder als Pagadebit, was so viel bedeutet wie «Schuldgeld», ein Hinweis auf seine enorme Produktivität.

Der Quagliano seinerseits ist eine sehr seltene rote Rebsorte voller Geheimnisse. Lange glaubte man, er würde nur im Piemont kultiviert, in den Tälern von Stura, Grana, Maira und Vardita unweit von Saluzzo, wo er 1721 zum ersten Mal erwähnt wurde. Überraschenderweise hat der DNA-Test ergeben, dass diese Rebsorte identisch ist mit dem Bouteillan Noir aus dem Vaucluse sowie mit der Uva Rosa Antica, die man in der Provinz Salerno südlich von Neapel, bei Ricigliano, entdeckt hat. Vielleicht wurde er in der apulischen Region Barletta auch Quagliara genannt. Da alle drei natürlichen Kinder des Paares Quagliano × Bombino Bianco traditionell in Apulien kultiviert werden, darf man Apulien als die Wiege von Nero di Troia, Bombino Nero und Impigno betrachten.  

Nach einem langsamen Niedergang gegen Ende des
20. Jahrhunderts, zieht der Nero di Troia (2500 ha) heute wieder vermehrt das Interesse auf sich. Aus ihm werden exzellente Weine mit ausgeprägtem Charakter vinifiziert, die durch reichhaltige Tannine, runden Körper und frische Aromen von Kirschen, Oliven und Lakritze bestechen.

Negroamaro

Negroamaro

Der Negroamaro ist eine der wichtigsten Rebsorten Apuliens; er wurde hier bereits im 19. Jahrhundert erwähnt. Gut möglich, dass er sogar schon früher angebaut wurde, das legen zumindest seine zahlreichen lokalen Synonyme nahe: Abruzzese, Albese, Jonico, Purcinara usw. Sein Name bedeutet «bitterer Schwarzer», ein Hinweis auf seine organoleptischen Charakteristiken. Die genetische Analyse konnte keinen direkten Verwandten aufspüren, auch nicht den griechischen Xinomavro, zu dem ihm bisweilen eine enge Verbindung nachgesagt wird. Der Negroamaro ist also ein Waisenkind. Dafür hat man entdeckt, dass er sich auf natürliche Weise mit der Malvasia Bianca Lunga gekreuzt hat, um die Malvasia Nera di Brindisi hervorzubringen.

Der Negroamaro bedeckt heute eine Fläche von rund 12’000 Hektar in Apulien, hauptsächlich in den Provinzen Lecce und Brindisi, wo er einen rassigen, charaktervollen Wein mit samtig weichen Tanninen und einem leicht bitteren, trockenen Nachhall ergibt.

Susumaniello

SusumanielloDer Susumaniello ist eine rare Rebsorte aus der Provinz Brindisi. Sein Name könnte vom Wort «somarello» (Esel) stammen, ein Hinweis auf die schwere Last, welche diese Rebstöcke tragen können, vor allem, wenn sie jung sind.

Der kürzlich durchgeführte DNA-Test hat ergeben, dass der Susumaniello das natürliche Kind des Sangiovese ist. Er ist eine absolute Rarität, wird nur auf 50 Hektar kultiviert und in der Regel in Assemblagen mit anderen lokalen Rebsorten wie Malvasia Nera di Brindisi oder Negroamaro verwendet.

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