Andere DIVO-Weine von wurzelechten Rebstöcken
Veritas, St. Jodern Kellerei in Visperterminen, Wallis
Im Wallis hatte man bis zur Ankunft der Reblaus 1906 eine originelle Technik entwickelt, «Versannes» oder Vergruben genannt. Dabei wurden ganze Rebzeilen von alten Stöcken in einem Graben «beerdigt», wobei einige Triebe aus der Erde herauswuchsen. Jeder Trieb ergab eine Pflanze, die mit der Ursprungsrebe identisch war, was eine systematische Verjüngung der Parzelle ermöglichte, Rebzeile für Rebzeile. Dieses Vergruben war eine Walliser Spezialität und wurde seit dem Mittelalter praktiziert. Dank dieser Technik konnte ein Rebberg ohne Unterbruch in Produktion gehalten werden, im Gegensatz zur modernen Technik der Pfropfreben, bei der man drei Jahre warten muss, bis sie erstmals Ertrag bringen.
Das Vergruben hat nur in wenigen Parzellen am spektakulären Rebhang von Visperterminen überlebt. Nur zehn kleine Rebbesitzer verjüngen ihre Reben noch mittels «Versannes», auf rund 2000 m2. 2010 hat die St. Jodern Kellerei auf meinen Vorschlag hin ihre Winzer gebeten, die Trauben aus diesen Anlagen separat abzuliefern, um eine Spezialcuvée namens Veritas zu keltern. Ein wundervolles Zeugnis für die Walliser Weinbaugeschichte, eingefangen in Flaschen!

L’Argnée, Famille Perrin
Dieser ausgesprochen rare Wein wird seit dem Jahrgang 2004 produziert, anfangs unter dem Namen Gigondas Vieilles Vignes, dann ab 2010 als L’Argnée Vieilles Vignes. Es handelt sich um einen Gigondas von einer Grenache-Parzelle mit mehr als hundertjährigen Stöcken, die von der Phylloxera verschont wurden, weil auf Sandboden gepflanzt. Da dieser Wein in der Schweiz nicht verfügbar war, hatte ich 2011 für eine DIVO-Degustation zum Thema Grenache, organisiert zusammen mit Eric Duret und Walter Zambelli, einige Flaschen des Jahrgangs 2007 auf dem englischen Markt aufgespürt. Wir alle waren begeistert von der beeindruckenden aromatischen Komplexität dieses Prä-Phylloxera-Gigondas, der reife, elegante Aromen und sehr feine, dichte Tannine bietet. Seit 2020 können wir diesen sehr gesuchten Wein endlich in unserem DIVO-Sortiment anbieten. Die jährliche Produktion dieser nicht einmal ein Hektar grossen Parzelle erreicht gerade einmal 1500 Flaschen.

Las Tinadas Airén, Pie Franco, Bodegas Verum
Airén ist der Name einer alten Rebsorte aus der Region Cuenca in Kastilien-La Mancha. Wider Erwarten handelt es sich bei ihr um die am meisten verbreitete Rebsorte in Spanien, wo sie 213’397 ha (23% der Rebfläche) bedeckt. Sehr produktiv und widerstandsfähig gegen Trockenheit, ergibt sie oft neutrale Weine und wird meistens für die Brandy-Produktion verwendet. In den Bodegas Verum allerdings keltert man aus ihr ein Schmuckstück! Las Tinadas ist eine Parzelle auf 700 m Höhe, die 1950 mit wurzelechten Airén-Reben bestockt wurde. Sie wachsen auf einem mit Kieselsteinen übersäten Kalkboden und werden biologisch kultiviert. Der Pie Franco wird aus den besten Trauben gekeltert, auf jedem einzelnen Stock von Hand ausgewählt. Der Wein wird vier Monate lang in 5000 Liter fassenden tinajas ausgebaut und dann weitere acht Monate im Inoxstahltank. Ein mineralischer, wunderbar ausgewogener Wein von schöner Komplexität, der den Ruf der Rebsorte Lügen straft.
Der Barbera Pre-Phylloxera von Elvio Cogno
Dieser seltene Wein stammt von einer 0,25 ha kleinen Parzelle, bestockt mit mehr als 120 Jahre alten Barberastöcken, die auf 520 m Höhe in der Lage I Berri im Dörfchen La Morra wachsen. Dieser archaische Rebberg, angepflanzt noch vor der Reblaus-Invasion im Piemont (ab 1892), konnte dank seinem sandigen, sehr eisenhaltigen Boden unveredelt erhalten werden. Der ohne Zertifikat, aber biologisch kultivierte Wein, der hier wächst, ist der einzige wurzelechte Barbera d’Alba DOC. Der Unterschied zu anderen Barberaweinen ist frappant: Es handelt sich um einen Wein von grossartiger Tiefgründigkeit, ein Erlebnis, das man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte!
Monte di Grazia, die Hochburg des Tintore di Tramonti
Unweit der Amalfiküste, im Süden von Neapel, findet man mehrhundertjährige Reben, die zu den ältesten der Welt gehören. Einige dieser Rebstöcke dürften sogar 300 oder 400 Jahre alt sein! Mir liess die Existenz dieser Rebstöcke – so gross wie Bäume und mit einem Stammdurchmesser von bis zu 40 cm – keine Ruhe. So kontaktierte ich meinen Freund Walter Speller, Italienkorrespondent für Master of Wine Jancis Robinson, und fragte ihn, welchen Produzenten er mir empfehlen könnte. Die Antwort kam umgehend: Monte di Grazia, ein Weingut, das mit die ältesten und schönsten Reben besitzt. Das kleine Familienweingut, zu Beginn der 1990er-Jahre von Alfonso Arpino und seiner Frau Anna gegründet, die heute von ihren Kindern Olivia und Fortunato unterstützt werden, kultiviert 2,7 Hektar Reben nach biologischen Richtlinien in der Region der Tramonti (Provinz Salerno, Kampanien). Mit ganz besonderer Sorgfalt hätscheln sie ihre spektakulären mehrhundertjährigen, wurzelechten Rebstöcke (total 1 ha), die im Pergolasystem erzogen sind. Sie bestehen aus 10% Piedirosso (alte kampanische Rebsorte) und 90% der uralten, sehr seltenen lokalen Varietät Tintore di Tramonti. Der Name «Tintore» bedeutet «Färber», denn ihr Saft ist von sehr dunkler Farbe. Diese rare, frühreife Sorte, von der weltweit nur noch 10 Hektar kultiviert werden, findet man auch noch auf der Insel Ischia unter dem Namen Guarnaccia oder Cannamelu.
Das Verkosten eines Weins von wurzelechten, auf vulkanischen Böden (270 bis 600 m ü. M.) gewachsenen Reben knüpft eine berührende Verbindung zur uralten Geschichte dieses weltweit einzigartigen Weinbaus! Der Monte di Grazia Rosso zeichnet sich durch eine intensive Farbe, eine Spur rustikale Tannine und vor allem eine eindrückliche Säure aus, die einige Jahre der Flaschenreife verlangt, bevor sie gezähmt ist. Ein Wein von ausgeprägtem Charakter, den man liebt oder hasst!
